Newsletter Feb/Mar 2025, Nr. 247 |
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Historische Reflexion der Gegenwart als Möglichkeitsraum |
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Liebe Freundinnen und Freunde der Osteopathie, puuhhh, endlich geschafft. Nach fast vier Jahren intensiver Um- und Weiterentwicklung von JOLANDOS sind jetzt nur noch die letzten kleinen Schräubchen zu drehen. Neue Website, neue Auslieferungslogistik, völlige Überarbeitung und Digitalisierung des HRO-Bildungsseminars , zwischendurch Editorials schreiben und das übliche Tagesgeschäft natürlich. Alles nichts Neues für mich, schließlich baue ich JOLANDOS seit 1997 unentwegt auf hoher See um. Da bekommt man Routine im Improvisieren und wird ziemlich wetterfest... Nun aber freue ich mich auf den nächsten Abschnitt meiner Reise. | |
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Ich persönlich empfinde es immer wieder als großes Privileg meines Lebensunterhalts im Bereich der historischen Forschung verdienen zu können. Dies umso mehr, als die Bewusstheit für die Bedeutung historischer Reflexionen zum Verständnis der eigenen Gegenwart bei immer mehr maßgeblichen EntscheidungsträgerInnen innerhalb der Osteopathie (und auch in der Medizin) in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen ist. Man möchte halt auf Teufel komm raus modern und fortschrittlich erscheinen. „Altes Zeug“ ist da natürlich nur im Weg. | Ich bedauere diese Entwicklung nicht. Sie war für mich bereits ab ca. 2010 abzusehen, denn hier erschienen die ersten Zeichen eines altbekannten Musters aus der Osteopathiegeschichte: nach Abebben eines euphorischen und geradezu rebellischen Starts folgt irgendwann der Versuch mit einer Mimikry -Strategie die etablierte Medizin zu imitieren, um auch ein größeres Stück vom Kuchen des Krankheitssystems zu bekommen. Diese Mimikriy-Strategie ist für die Osteopathie zwingend, da sie nie über eine wissenschaftlich erarbeitete und historisch validierte Identität verfügt (also eine, die sich nicht über 'hands on', Wirksamkeitsnachweise, Ausbildungsstunden oder Gesetze definiert). So bleibt ja nichts anderes, als bereits etablierte Heilkunst-Philosophien, allen voran natürlich die stark etablierte Medizin, schleichend nachzuahmen. Vielleicht war bzw. ist den Verantwortlichen gar nicht bewusst, dass sie mit diesem Vorgehen selbst die Hauptverantwortlichkeit für das bestehende Identitätschaos trugen bzw. tragen. Fakt ist jedenfalls: Auf diesem Weg allopathisierte die amerikanische Osteopathie. Auf diesem Weg 'orthopädisierte' bzw. 'manualmedizinisierte' die britische Osteopathie. Und auf diesem Weg erklärt sich auch der momentane Drift der europäischen Osteopathie hin zur integrativen Medizin/Heilpraktik. Hier bewahrheitet sich eine alte Weisheit: Wer mit seiner Vergangenheit nicht ebenso achtsam umgeht, wie mit seiner Gegenwart, wird dazu verdammt sein, alte Fehler immer wieder zu wiederholen. An dieser Stelle ist es mir sehr wichtig einige Missverständnisse zu klären: - Die Mimikry-Strategie bedeutet natürlich nicht , dass dadurch die klinische Ausbildung und Arbeit automatisch schlechter wird. Im Gegenteil: auch Osteopathie bleibt nur im Austausch mit der aktuellen Wissenschaftswelt und anderen Heildisziplinen entwicklungsfähig. Aber die kritische Frage sei erlaubt: Wenn man ohne historisch validierte und inhaltlich begründete Identität integrative Medizin/Heilpraktik imitiert, wozu braucht es dann noch Osteopathie als eigenständige Heilkunde? Qualitätssicherung und Rechtssicherheit? Was genau soll denn da genau 'gesichert' werden? Und wird das, zumindest in Deutschland, nicht bereits seit Jahren erfolgreich im Rahmen des ärztlichen bzw. heilpraktischer Berufsstandes umgesetzt. Oder war die bisherige Osteopathie aufgrund des Fehlens einer beruflichen Anerkennung bisher qualitativ schlecht?
- Ich bin keineswegs gegen eine berufliche Anerkennung der Osteopathie. Im Gegenteil: Ich unterstütze Sie ausdrücklich – aber nur, wenn dies auf Basis einer sowohl historisch validierten als auch inhaltlich begründeten Identität geschieht.
- Ich bin auch nicht der Meinung, dass die gegenwärtig ausschließlich klinisch orientierten Forschungsbemühungen der Osteopathie durch osteopathiehistorische Forschung ersetzt werden sollten. Diese Haltung wäre ebenso unvernünftig wie absurd. Ich weise lediglich darauf hin, dass nicht nur die Identität der Osteopathie davon abhängen wird, ob die institutionelle Osteopathie einen substanziellen Teil der Forschungsressourcen in die osteopathiehistorische Forschung investieren wird. Auch die Glaubwürdigkeit und das Ansehen der Osteopathie als Ganzes wird davon abhängen wie respektvoll und ernsthaft sie mit ihrer eigenen Geschichte umgeht.
- Als Unterstützer des vernünftigen Umgangs mit der Vergangenheit bin ich entschiedener Gegner jeglicher Form von Romantisierungen der Vergangenheit, sowie jeglicher Form unkritischer Verehrungen historischer 'Autoritäten' (dies umso mehr, als in den osteopathischen Ursprungstexten das von allen Autoritäten unabhängige, d.h. das ursprüngliche Denken als Alleinstellungsmerkmal für OsteopathInnen ja geradezu mantraartig eingefordert wird). Ebenso schädlich für die Osteopathie erchte ich aber auch die gegenteilige Haltung: die pauschale Ablehnung und Abwertung der Vergangenheit aufgrund blinder Unterwerfung unter eine zweifelhafte Fortschritts-Dogmatik.
- Ich bin keineswegs der Ansicht, dass alle wichtigen Dinge der Osteopathie bereits in den Ursprungstexten der Osteopathie gesagt wurden. Ursprüngliche Osteopathie (die ja eigentlich noch überhaupt nicht erarbeitet wurde) ist sicherlich nicht die 'wahre' Osteopathie. Aber: Nur in der ursprünglichen Osteopathie kann sich jener zeitlose Identitätskern bedeuten, aus dem sich überhaupt erst eine historisch validierte und inhaltlich begründete Identität entwickeln kann. Und diesen gilt es noch wissenschaftlich zu erschließen.
| | Klingt idealistisch? Mag sein. Ich bin ja auch ein idealistischer Realist. Und das bedeutet konkret: völlig unabhängig von berufspolitischen Entwicklungen baue ich weiter an meiner Nische Historische reflektierte Osteopathie innerhalb des Möglichkeitsraums historisch reflektierte Gegenwart. Dieser Möglichkeitsraum ist nur einer von vielen Räumen, den immer mehr Menschen nutzen, um im Lärm der digitalen Welt als Mensch wieder besser zu-sich-zu-finden: Verstärkte Pflege, soziale Beziehungen im analogen und lokalen Umfeld, Work-Life-Balance, Meditation, Neuausrichtungen, mehr Zeit in Natur und Garten, spirituelles Interesse, bewusster Austausch mit anderen Menschen, kreatives Schaffen etc. All dies sind solche Möglichkeitsräume – und eben das bessere Verständnis von sich in der Welt durch Reflexion der Vergangenheit auf die Gegenwart. Hier kommt mir die Gegenwart also entgegen und ich muss keiner Zukunft hinterherlaufen... 😀 Beide Teile von Historisch reflektierte Osteopathie – Mensch und Heilkunst im Wandel der Zeit und Ursprüngliche Osteopathie & Weitere Entwicklungen – sollen zusammen mit den dazugehörigen Quellen in diesem Sinn dazu beitragen, den Blick vor allem auf das eigene therapeutische Sein zu vergrößern. Weitet der erste Teil diesen Blick durch eine gesamthistorische Überschau mit ihren Perspektivewechseln, so wird er im zweiten Teil im Rahmen der an Quelltexten erarbeiteten ursprünglichen Philosophie der Osteopathie vertieft. Geradezu genial erachte ich dabei, dass es in diesen Ursprungstexten der Osteopathie selbst primär nicht um therapeutische, sondern um philosophische Fragen geht. Die OsteopathInnen werden dort als Menschen vorgestellt, deren therapeutisches Sein durchdrungen ist vom lustvollen und neugierigen Beobachten der Menschen, des Lebens und der Welt, gepaart mit einem vernunftorientierten Nachdenken über sich selbst in eben dieser Welt. OsteopathInnen sind so gesehen Menschen, die zu-sich-kommen wollen. Menschen, die sich noch vor allem therapeutischen Denken und Handeln selbst erkennen wollen. Damit verschmelzen beide Teile der historisch reflektierten Osteopathie und die Ursprungstexte der Osteopathie ganz harmonisch miteinander zur besagten Nische im Möglichkeitsraum einer historisch reflektierten Gegenwart. So richtig Seele und Substanz erhält diese Nische aber erst durch die vielen kritischen Fragen, die auf der Zeitreise auftauchen und von den 'Mitreisenden' völlig eigenständig und individuell auf das therapeutische Sein reflektiert werden können. Damit, so hoffe ich jedenfalls, profitiert jeder 'Mitreisende' auf seine ganz persönliche Weise. | | In diesem Sinn bastle ich also weiter an einer Nische im Möglichkeitsraum der historisch reflektierten Gegenwart. Mit der Veröffentlichung deutschsprachiger Klassiker der Osteopathie (neuerdings erweitert um eine kleine Fachbuchhandlung für Osteopathie) und ständig erweitert durch den Ausbau und die Erweiterung unterschiedlicher Modelle des HRO-Bildungsangebots. All dies ist mehr denn je eine Herzensangelegenheit von mir. Und so freue freue ich mich nach dem anstrengenden Umbau der letzten Jahre schon sehr auf unsere nächste gemeinsame Etappe auf der Reise über das glitzernde Meer der Geschichte! |
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Lassen Sie uns weiter um der Sache willen Diggen! Lassen Sie uns weiter spielen und staunen! Lassen Sie uns weiter zu-uns-Kommen! 😀 |
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| Und damit wieder zum Tagesgeschäft ... |
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Kennen Sie diese Klassiker schon? |
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| | Zahlreiche Inspirationen, um das somatoviszerale/viszerosomatische Denken im klinischen Alltag zu üben! |
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| | | Wussten Sie, dass der schwedische Universalgelehrte und Mystikers Emanuel Swedenborg für die frühe Osteopathie eine wichtige Rolle gespielt hat? |
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| | | Entdecken Sie den Entdecker der Osteopathie durch die Augen seiner Zeitgenossen und Weggefährten. Viele bisher noch nie veröffentlichte Beiträge! |
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| | Ob Harry Potter, Kochbuch, historischer Roman, Sachbuch, Krimi, Wissenschaft, E-book, Hörbuch, Musik etc. – hier werden Sie fündig! |
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Und das war's auch schon wieder. Bis zum nächsten Newsletter und wie immer ... Viel Freude und Erfolg mit Ihrer Osteopathie! Ihr Christian Hartmann |
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